Na also, geht doch. Moderner Technologie und der Geschicklichkeit von Tonmeister James Guthrie sei Dank. Alle Tiere fliegen hoch. Der erst jetzt erschienen 2018er Remix von Pink Floyds 1977er LP „Animals“ dürfte einige Fans von ihren auditiven Qualen erlösen, während sich Puristen fragen: Was soll das Ganze? Aber der Reihe nach.

Nach den Triumphen mit „Dark Side of the Moon“ und „Wish you were here“ stellte sich für Pink Floyd in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre die Sinnfrage. Junge Punkbands schredderten unbekümmert 20 Jahre Rockgeschichte und brachten eine neue, unglaubliche Energie auf die Bühnen. Sie forderten insbesondere in Großbritannien das Establishment heraus. Und sie verstanden sich explizit auch als Gegenbewegung zur progressiven Rockmusik von Bands wie Pink Floyd, Genesis oder Emerson, Lake & Palmer.

Pink Floyd wollte in dieser Situation nicht einfach weiter machen wie bisher. Die Gruppe entschied sich bei den Aufnahmen zu „Animals“ für einen direkteren, härteren und dunkleren Sound als auf den beiden berühmten Vorgängeralben. Für Floyd´sche Verhältnisse war das Klangbild geradezu überschaubar und wurde von David Gilmours Gitarrenspiel dominiert, das einen Zacken an Schärfe zulegte. Dieses Konzept passte durchaus in die Zeit. Textlich beschwor Roger Waters mit Anleihen bei George Orwells „Farm der Tiere“ den Klassenkampf herauf.

Animals 1977
Pink Floyd, „Animals“, 1977

Aus dem Schatten getreten

„Animals“ erreichte hohe Chartpositionen, konnte aber kommerziell nicht annähernd an die vorangegangen Erfolge anknüpfen. Daran änderte auch das ikonische Cover von Hipgnosis mit dem fliegenden Schwein am Londoner Kraftwerk Battersea nichts: Obwohl „Animals“ gerade wegen seiner Außenseiterrolle im Katalog der Band bei vielen Fans kultische Verehrung genießt, blieb es immer im Schatten der Großtaten der Band, von denen zwei Jahre später mit „The Wall“ eine weitere folgen sollte. Der neue Remix von „Animals“ holt das Album endlich aus dieser Versekung. Der Sound ist viel näher an die typischen Klangwelten der Band herangerückt. Alles klingt raffinierter, offener, druckvoller, runder. Jetzt schwebt nicht nur das Schwein zwischen den Schornsteinen des Kraftwerks, sondern auch die Musik hebt ab. „Pigs (Three Different Ones)“ ist zwar immer noch derselbe Song, aber klanglich kaum wiederzukennen und dank Remix ein neues Highlight im Floyd-Katalog. Ich frage mich, ob die Band schon 1976/1977 eine Idee davon hatte, dass die Platte auch ziemlich fantastisch klingen könnte? Ich würde tippen – ja. Jede andere Annahme wäre Majestätsbeleidigung.

Die neue Version von „Animals“ kann ich allen Fans von Pink Floyd und vor allem jenen Musikliebhabern, die aus besagten Gründen einen Bogen um die Platte geschlagen haben, nur wärmstens empfehlen. Allerdings sollte man beim wohligen Versinken in der floydschen Hörwolke nicht vergessen, dass es sich hier auch um einen Fall von Geschichtsklitterung handelt. Intendiert hatte die Band damals etwas völlig anderes … Deshalb erscheint es nur konsequent, dass für den Remix die Battersea Power Station neu abgelichtet wurde. Sehr gelungen.

Übrigens: Dass der 2018er Remix erst im Jahr 2022 erschienen ist, liegt an den nicht enden wollenden Streitereien zwischen den Alphafloyds David Gilmour und Roger Waters. Sie wurden sich über den Begleittext nicht einig. Jetzt hat man ihn einfach weggelassen. Was soll man zu diesem Gezänk noch sagen?

Und ewig fliegt das Schwein.

Anspieltipps: Pigs (Three Different Ones) / Dogs / Sheep

Verfügbarkeit auf Vinyl: problemlos.