Ok, ABBA ist wieder da. Mit dem Album „Voyage“ und einer atemberaubenden Vision ihrer Zukunft. Sich selbst mit der gleichen digitalen Technologie zurückzubringen, mit der „Industrial Light and Magic“ beispielsweise eine junge Prinzession Lea im Star Wars-Film „Rogue One“ wieder auf die Leinwand brachte, ist ein bemerkenswerter Schritt. Seit Mai dieses Jahres schicken die vier von ABBA jüngere Versionen ihrer selbst als digital reproduzierte Abbatare in London auf die Bühne. Und danach … wer weiß wo? Australien, das für die Karriere der Band enorm wichtig war, dürfte ein heißer Tipp sein. Björn Ulvaeus und Benny Andersson brachten in einem Interview Deutschland als mögliche Station ihrer Voyage-Show ins Gespräch. Abba haben sich mit dieser Show unsterblich gemacht. Die Abbatare können bis in alle Ewigkeit auftreten.
Es bedurfte wahrscheinlich der Unbefangenheit und Nonchalance der vier Schweden, mit der sie Kritik an ihrer Auffassung von Pop, vor allem in den kunterbunten Jahren nach dem Gewinn des Eurovision Vision Songcontest anno 1974, einfach an sich abperlen ließen. „Voyage“, ihr erstes und wohl auch letztes Album nach 40 Jahre Pause, ist typisch ABBA. Da sind sie wieder, die eingängigen Songs mit den fluffig perlenden Pianoläufe von Björn Ulvaeus, etwas modernisiert, aber nicht zu viel. Benny Andersson steuert Texte bei, die sich mit der bittersüßen Beziehungsgeschichte der Bandmitglieder und, ich glaube das macht den Erfolg aus, auch mit unseren von der Pandemie wund geriebenen Seelen verknüpfen. Im lässigen Rhythmus von Agnetha Fältskog und Anni-Fried Lyngstad vorgetragen heben sie die Stimmung. Wo ABBA drauf steht, ist auch ABBA drin.
Kulturelles Phänomen
An dieser Stelle muss ich kurz innehalten und mich über mich selbst wundern. Wieviel ich zu ABBA zu sagen habe! Dabei war ich nie ein großer Fan ihrer Musik, was dazu führte, dass ich mir als Realschüler mit einem Freund ständig Debatten darüber lieferte, wer die bessere Musik machte: die Beatles, damals schon lange Geschichte, für die ich leidenschaftlich eintrat (was ich auch heute noch immer tun würde), oder, wie mein Freund K. meinte, ABBA. Vielleicht liegt darin die sozialkulturelle Bedeutung von ABBA. Sie waren und sind selbst ein Teil des Lebens derer, die ihre Musik nicht mögen oder sogar entscheiden ablehnen. „ABBA – The Movie„, das war der erste und letzte Film, in dem ich an der Kinokasse zurückgewiesen wurde, weil ich zu jung war. Ein Witz angesichts heutiger Altersfreigaben. Und auf dem Gymnasium dann haben wir im Leistungskurs Englisch all unsere Fähigkeiten darauf gerichtet, um nachzuweisen, dass ABBAs Song „I have a Dream“ eine geradezu frevelhafte Anlehnung an das berühmte Zitat von Martin Luther King ist. Und dann kam „Mamma Mia – Das Musical„, eine meiner „guilty pleasures“, wann immer ich eine Dosis guter Laune benötigte. Meryl Streep, Pierce Brosnan und Amanda Seyfried in den Hauptrollen des Kassenschlagers sind einfach zauberhaft.
Wer virtualisiert sich als nächstes?
Jetzt also Voyage. Als Digitalisierungs-Afficionado komme ich nicht umhin, meinen Hut zu ziehen. Vielleicht sind ABBA die einzigen, die diesen Schritt vom realen Auftritt zur virtuellen Bühnenpräsenz so radikal gehen konnten. Und ich würde darauf wetten, dass im Lager der Rolling Stones, das ja auch keine Vermarktungsmöglichkeit auslässt, jetzt die Synapsen glühen. Könnten wir jetzt auch…. ? Schon vor Jahren hat ein Musikkritiker scharfsinnig geschrieben, bei einem Konzert der Rolling Stones zu sein ähnele einem Besuch in einem Museum. ABBA treiben diesen Gedanken jetzt auf die Spitze. Sie haben mit „Voyage“ ein ganz neues Konzertgenre geschaffen und sind die Pioniere des digitalen Zeitalters – wer hätte das gedacht?
Lieber Christoph, endlich habe ich es in deinen Blog geschafft. Phantastisch, was du da schreibst und ins Licht meiner Aufmerksamkeit…