Weltweit schwanken Liebhaber:innen audiophiler Langspielplatten zwischen Erstaunen und Entrüstung. Mit Mobile Fidelity Sound Lab (MFSL), von Fans kurz „MoFi“ genannt, musste eines der renommiertesten Labels für hochwertige Reissues ikonischer Aufnahmen einräumen: Alle Platten beinhalten einen digitalen Verarbeitungsschritt.

Die Annahme vieler Käufer*innen, dass die Aufnahmen – vorzugsweise – von den originalen Masterbändern geschnitten und damit rein analog verarbeitet werden, ist falsch. Nun könnte man MoFi zugute halten, dass das Label nie explizit behauptet hat, konsequent analog zu arbeiten. Allerdings ist MoFi diesem weitverbreiteten, das Geschäft seit vielen Jahren fördernde Missverständnis auch nie aktiv entgegengetreten. Die Kund:innen wurden im Unklaren gelassen, bezahlten für MoFi-Pressungen in der Regel mehr als das Doppelte gegenüber den normalen Ausgaben der Platten. Auf dem Second-Hand-Markt werden die MoFi-Platten schnell für hunderte Euro gehandelt, weil die Auflagen künstlich knapp gehalten werden (was angesichts des digitalen Schritts, der beliebig viele Kopien erlaubt, unnötig erscheint). Der Ärger vieler Musikliebhaber, die bereitwillig einen Aufpreis für exzellenten Klang bezahlen, ist somit verständlich. In den sozialen Medien haben viele ihrem Unmut Luft gemacht und angekündigt, Bestellungen zu stornieren und/oder künftig keine MoFi-Platten mehr zu kaufen.

Kritische Fragen auf YouTube

Aufgeflogen ist das fragwürdige Geschäftsgebaren von Mobile Fidelity Sound Lab in der Vinyl Community auf YouTube. Michael Ludwigs, Inhaber einer Werbeagentur in Düsseldorf und Experte für audiophile Pressungen, warf auf seinem YouTube-Kanal 45 rpm audiophile unbequeme Fragen zu einem Premiumprodukt von MoFi, den sogenannten „Ultra Disc 1-Steps“, auf. Für diese besonders teuren Ausgaben werden die Verarbeitungsschritte vom Masterband bis zum Vinyl noch einmal reduziert. Ludwigs wunderte sich in seinem Video vom 11. Juli 2022 angesichts der avisierten Auflage von 40.000 Stück für Michael JacksonsThriller“, ob der Prozess wirklich rein analog sein könne? Schließlich würden die wertvollen, unersetzlichen Masterbänder der Aufnahmen dabei über Gebühr strapaziert und womöglich beschädigt. Ein mehr als berechtigter Einwand, wie sich herausstellte. Mike Esposito, Inhaber des Plattenladens The In Groove in Phoenix, Arizona, griff das Thema in seinem Video von 15. Juli 2022 auf und berichtete von einem Whistleblower, der mit der Information an die Öffentlichkeit gehen wollte, dass alle MoFi-Platten ab 2015 einen digitalen Verarbeitungsschritt enthalten. Ein mutiger Auftritt von Esposito, denn eine unbestätigte Information aus einer anonymen Quelle zu veröffentlichen, kann insbesondere in den USA im Falle einer Falschmeldung hohe Schadenersatzforderungen auslösen. Der Anonymus hat seine Ankündigung keine Taten folgen lassen, die Meldung hat sich jedoch als zutreffend erwiesen.

Lausige Kommunikation

Aus Marketing- und aus PR-Sicht – dieser Ausflug in meine Profession sei hier erlaubt – hat Mobile Fidelity Sound Lab im Krisenmanagement eine schlechte Figur abgegeben. Das Unternehmen hat den Kern seiner Marke mutwillig verletzt. Bei audiophilen Platten geht es um großartigen Sound, ja, aber es geht auch um Authentizität, um etwas Echtes in einer zunehmend virtuellen und digitalen Welt. MoFi hat einen Glauben an die rein analogen Herstellung genährt, der schon seit Jahren nicht mehr der Realität entspricht. Das Unternehmen hat seinen Produktionsprozess mystifiziert und lange Zeit kapitalisiert. Von Transparenz und Offenheit keine Spur. Statt umgehend mit einem Statement und vor allem einer Entschuldigung an die Öffentlichkeit zu gehen, folgte zunächst einmal Schweigen und dann der missratene Versuch, die Kund:innen innerhalb der YouTube-Community zu besänftigen. Dazu hat MoFi Michael Esposito zu einem Gespräch eingeladen und wortreich verargumentiert, warum der Zwischenschritt, die Masterbänder in die digitalen Formate DSD 64 und DSD 256 zu übertragen, manchmal notwendig und meistens qualitätsfördernd sei. Die Argumentation klingt sogar schlüssig, ändert jedoch nichts daran, dass das Unternehmen aus der Digitalisierung ein Geheimnis gemacht hat. Einem selbsternannten „Undisputed Leader in Audiophile Rescordings Since 1977“ ist das unwürdig.

Es dauerte bis zum 27. Juli 2022, dass MoFi, offiziell Stellung bezog. In Zeiten der sozialen Medien ist ein Verzug von über zwei Wochen eine Ewigkeit. Hier ein Auszug aus dem Statement von Präsident Jim Davis, nachzulesen auf der Website des Unternehmens:

„Uns bei Mobile Fidelity Sound Lab sind Kundenbeschwerden bezüglich der Verwendung digitaler Technologie in unserer Mastering-Kette bekannt. Wir entschuldigen uns dafür, dass wir vage Sprache verwenden, die Verbreitung falscher Erzählungen zulassen und den guten Willen und das Vertrauen unserer Kunden in die Marke Mobile Fidelity Sound Lab als selbstverständlich ansehen.
Wir sind uns bewusst, dass unser Verhalten sowohl zu Ärger als auch zu Verwirrung auf dem Markt geführt hat. In Zukunft verfolgen wir eine Politik der hundertprozentigen Transparenz in Bezug auf die Herkunft unserer Audioprodukte. (…)“

Nun handelt es sich hier angesichts der weltweit grassierenden Krisen, Kriege und Konflikte absolut um ein Erste-Welt-Problem, das außerhalb des kleinen Kreises der Liebhaber*innen guten Klangs niemanden interessiert. Gleichwohl hat hier ein Unternehmen nicht unter Vortäuschung falscher Tatsachen, aber doch unter Inkaufnahme falscher Vorstellungen im Markt seit Jahren Kasse gemacht. Aber der Markt wird es verzeihen. An der Qualität der Pressungen von MoFi ändert der digitale Mastering-Schritt nichts. Und mögen manche Puristen auch nur einen Bogen um das Label schlagen, so werden doch viele der Verlockung des guten Klangs nicht widerstehen können.

Was der Skandal um MoFi auf jeden Fall gebracht hat: Transparenz. Lückenlose Angaben über die Mastering-Schritte dürften in Zukunft auf allen audiophilen Platten zu finden sein und in diesem Markt genauso selbstverständlich werden wie die Nährwerttabelle auf Lebensmitteln.