Rückblickend muss man wohl sagen: Produzent Earle Douds Plan ist nicht aufgegangen. Seine an sich geniale Idee, herausragende Musiker:innen der späten 1960er-Jahre in mehreren Supersessions zu versammeln und vergnügt aufspielen zu lassen, hat nie die verdiente Anerkennung erhalten. Nur eingefleischte Musikfans wissen, dass in den neu gegründeten Record Plant Studios in New York im Jahr 1968 ein faszinierendes Album entstanden ist, auf dem, hinter Pseudonymen versteckt, die Gitarrengötter Jeff Beck und Eric Clapton mitspielten.

Insgesamt wirkten auf „Music from Free Creek“ gut mehr als drei Dutzend Musiker:innen, allesamt mit Rang und Namen in der damaligen Rock- und Bluesszene, an den Aufnahmen mit: Keith Emerson von The Nice war dabei, Harvey Mandel von Canned Heat, Mitch Mitchell von The Jimi Hendrix Experience, Todd Rundgren, Chris Wood von Traffic, Linda Ronstadt, Doctor John, Bernie Leadon, damals noch bei den Flying Burrito Brothers und ein paar Jahre später bei The Eagles und, und, und … Das Studio hat damals großzügig Aufnahmezeiten für mehrere Sessions bereitgestellt, wohl in der nicht ganz uneigennützigen Hoffnung, damit die Crème de la Crème zu beeindrucken und künftig gut gebucht zu werden. 

Das Ergebnis kann sich hören lassen: In ständig wechselnden Besetzungen grooven die Musiker:innen unter anderem durch Klassiker wie Sympathy For The Devil, Hey Jude, Lay Lady Lay, Mother Nature´s Son oder The Girl from Ipanema. Die Arrangements klingen spontan, das Zusammenspiel ist inspiriert, überraschend und harmonisch. Jeff Beck, der sich auf der Doppel-LP „A. N. Other“ nennt, ist bei Songs wie „Cissy Strut“ oder „Working in a Coal Mine“ mit von der Partie. Eric Clapton alias „King Cool“  greift bei Stücken wie „Road Song“ oder „No one knows“ in die Saiten. In Summe ist „Music from Free Creek“ sicherlich keine Platte, die musikalisch Maßstäbe gesetzt oder die Rockgeschichte beeinflusst hätte. Aber es macht viel Freude, dem entspannten Musizieren zuzuhören und erstaunt wahrzunehmen, wie unfassbar viel Talent auf diesen Scheiben versammelt ist. 

Schade, dass die Aufnahmen wie hinter einer Nebelwand durch die Musikgeschichte gesegelt sind. Earle Doud hatte zwar den großen Traum für dieses Doppelalbum, kam aber eher aus dem Comedy-Sektor und konnte das Projekt nicht so recht in der Branche verkaufen. Erst vor nunmehr 50 Jahren, 1973, erschien die Platte schließlich. Zu der Zeit war die Musikwelt bereits eine komplette andere. Dass Beck und Clapton auf „Music from Free Creek“ nicht genannt werden wollten, steigerte den Bekanntheitsgrad natürlich auch nicht gerade. Doud selbst sorgte mit hanebüchenen, frei erfundenen Liner Notes über die vorgebliche Entstehungsgeschichte für weitere Verwirrung. Der Text sollte wohl lustig sein, kommt aber völlig sinnfrei daher. Und die legendäre Agentur Hipgnosis, die für das Cover verantwortlich zeichnete, hatte auch keine Sternstunde. 

Nicht zuletzt wäre da noch die Rolle des Musikers und Produzenten Todd Rundgren zu beleuchten, der eigentlich die Aufnahmen koordinieren und überwachen sollte, sich aber offenbar aus finanziellen Gründen zurückzog. Er schickte aus seiner Entourage den erst 19-jährigen Moody Klingman als Musical Director vor, der mit dem Mut und der Unbefangenheit der Jugend den Größen des Musikbusiness erläuterte, was sie im Studio zu tun oder zu lassen hätten. Chapeau! Einem Gespräch des Fanzines „Heavy Metal Mahem“ mit Klingman aus dem Jahr 2001, das im Internetarchiv der Wayback Machine noch abrufbar ist, verdanken wir die Hintergründe zu diesen spannenden Sessions, die auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Größenwahn fast in die Bedeutungslosigkeit gestürzt wären.

Anspieltipps: Lay Lady Lay / Getting Back to Molly / Big City Woman

Verfügbarkeit auf Vinyl: Music from Free Creek ist nur gebraucht, aber problemlos zu beschaffen. Selbst in Near-Mint-Verfassung ist das Doppelalbum für rund zehn Euro zu haben – ein absolutes Schnäppchen!