Wer weiß, wie die Geschichte der Popmusik verlaufen wäre, wenn die Beatles nicht 1964 die USA erobert und die British Invasion eingeläutet hätten … Aber ihr Export der Beatlemania in den wichtigsten Musikmarkt der Welt ist natürlich längst Geschichte, sie kamen, sahen und siegten und gewannen die Herzen von Scharen junger Fans. Massenaufläufe, ohrenbetäubendes Kreischen, Hysterieanfälle … ein nicht enden wollendes Yeah, Yeah, Yeah erfüllte den nordamerikanischen Kontinent. Der legendäre Auftritt am 9. Februar 1964 in der Ed-Sullivan-Show sowie der Sensationserfolg mit dem damals unerhört klingenden Song „I Want to Hold Your Hand“ sind unvergessen.

Aus europäischer Perspektive lässt sich leicht übersehen, dass auf der anderen Seite des Atlantiks ganz andere Platten den Durchbruch für die Fab Four brachten als in unseren Breiten. Heute gelten die Original-LPs, wie sie in Großbritannien erschienen sind, als kanonisches Werk. Den Auftakt dieses offiziellen Oeuvres bildeten „Please, please me“ im Jahr 1963 und „With the Beatles“ im Jahr 1964. Nicht so in den USA – was Beatles-Experte Andrew Milton von Parlogram Auction auf seinem YouTube-Kanal in einem sehenswerten Video Revue passieren lässt. Er hat mich zum Kauf der Platte und zu diesem Beitrag inspiriert, dafür vielen Dank!

Erst Fehlstart, dann Hype

Hier ist die Geschichte von „Meet the Beatles!“: Zunächst vermasselten die Plattenfirma Capitol Records und ihr Mutterkonzern EMI den Start der Band in den Staaten gründlich. Nicht überzeugt vom Potenzial der Band, verzichtete Capital zunächst auf eine Veröffentlichung. Daraufhin schloss EMI einen Lizenzvertrag mit Vee-Jay ab, beheimatet in Chicago und zu jener Zeit das größte von farbigen Amerikanern gegründete Label. Vee-Jay brachte die Platte „Introducing the Beatles“ heraus, eine um zwei Songs gekürzte Version von „Please, Please Me“, die es immerhin auf Platz zwei der Charts schaffte. Erst im zweiten Anlauf hatte Capitol dann eine geniale Idee und machte alles richtig: „Meet the Beatles!“ versammelte, von einer Ausnahme abgesehen, ausschließlich Originalkompositionen der Band insbesondere von „With the Beatles“, das wie „Please, Please Me“ einen hohen Anteil an Coverversionen enthielt. Somit war „Meet the Beatles!“ das erste Album, dass die Songwriting-Qualitäten von Lennon/McCartney und auch George Harrison in den Mittelpunk rückte. 

Und Capitol – die Amerikaner sind einfach begnadete Marketers – trug jetzt dick auf, damit auch jeder mitbekam, welche Sensation über den Atlantik schwappte. Das Cover von „Meet the Beatles!“ zeigt Robert Freemans ikonisches Schwarz-Weiß-Foto von „With The Beatles“, noch dunkler gehalten und effektvoll mit einem Blauton unterlegt. Der Schriftzug „The First Album by England’s Phenomenal Pop Combo“ buhlt um die Käufer:innen. Und im Begleittext auf der Rückseite des Covers wird genüsslich aufgezählt, wie Beatles-Fans im Heimatland Großbritannien 90 Stunden für Konzerttickets anstanden, wie sich Mädchen in Carlisle mit der Polizei zofften, wie Jugendliche den Handschuh einer Reporterin küssten, die versehentlich den Rücken eines Beatle gestreift hatte. Eine verrückte Zeit, ein unglaubliches Phänomen. 

„In der Schule hatte man entweder ein Exemplar von „Meet The Beatles“ oder nicht, und wenn man es nicht hatte, war es, als ob etwas mit einem nicht stimmte.“

Tom Petty (1950 – 2017), zitiert nach faroutmagazine UK.

Musik und Marketing verfehlten ihre Wirkung nicht. „Meet the Beatles!“ avancierte umgehend zu jenem Album, das die Band in den USA zum größten Popphänomen aller Zeiten machte. Elf Wochen führten die Beatles mit dem Album die US-Billboard-Charts an – an der Spitze abgelöst haben sie sich selbst mit „The Beatles Second Album“, was eigentlich das dritte in den USA war, nur nicht in der Zählweise von Capitol. Bis zum Ende des Jahres 1964 verkaufte sich „Meet the Beatles!“ über vier Millionen mal. Bis heute berichten Fans der ersten Stunde darüber, wie es damals war, als die Platte erschien. „Meet The Beatles was the 1st LP I ever bought, and will always be my 1st love“, heißt es in einem Kommentar auf der Musikplattform Allmusic.

Trotz ihrer überragenden Bedeutung war das Schicksal von „Meet the Beatles!“ im Jahr 1988 besiegelt. Seither wurden keine Vinylausgaben mehr gepresst. Für viele Beatles-Anhänger:innen gehört die Platte aber unbedingt ins Plattenregal. Sie war der Big Bang in den USA und öffnete Tür und Tor für alle die anderen britischen Bands wie The Rolling Stones, The Who und – wenn auch unter einem schlechten Stern segelnd – The Kinks. „Meet the Beatles!“ ist das hörenswerte Dokument jenes musikalischen Urknalls, für den die frühen Beatles bis heute bewundert werden. 

Anspieltipps: I Saw Her Standing There // Don’t bother me // Not A Second Time

Verfügbarkeit auf Vinyl: nur gebraucht, gut erhaltene Ausgaben sind hierzulande ab 40 Euro aufwärts zu haben.